Sprayer an die MACHT???
(© Andreas Röhr)
Das passte nun überhaupt nicht zum kulturellen Selbstverständnis des wilhelminischen „Deutschen Wesens“, und man nahm viel Geld in die Hand, um die Lage zu bessern. Die Bildungsausgaben des Bundes wurden Anfang der 2000er Jahre nahezu verdoppelt. Dieses Engagement wurde mit deutlichen Fortschritten in nachfolgenden PISA-Studien belohnt.
Doch angesichts des nebenstehend abgebildeten Schildes an den Schmetterlingswiesen im Plauener Seehausgebiet stellen sich weitere Fragen. Die Orthografie der Krakelei ist zwar weitgehend gelungen. Aber: Was mag den Schmierfinken/die Schmierfinkin dazu bewogen haben, eine politisch vollkommen unverdächtige Informationstafel zu zerstören, welche sogar die illegalen Graffitisprayer und Mülldeponierer mit einem Foto hinreichend gewürdigt hatte?
Sollte die OECD irgendwann eine Studie zur Sozialkompetenz erwachsener Bürger in Auftrag geben, wären die Resultate möglicherweise ähnlich ernüchternd wie damals bei PISA.
Selbst wenn die aufgesprühte Losung „Sprayer an die MACHT“ einen Hauch von Avantgarde verströmen möchte, muss man den bedauernswerten Möchtegern-Revoluzzern doch entgegenhalten, dass ihre "Kunst" keineswegs neu ist und auch nicht von überragender Geistesgröße zeugt. Denn ihr Handwerk ist nichts weiter als ein Plagiat uralter Ärgernisse.
Das Sprichwort „Narrenhände beschmieren Tisch und Wände“ wurde vermutlich schon im Mittelalter geprägt. Aktenkundig geworden ist es in dem 1828 erschienenen Traktat „Die Schulgesetze oder Anweisung zu einem ordentlichen und gesitteten Betragen für Schulkinder in ihren verschiedenen Verhältnissen; erklärt und durch lehrreiche Erzählungen erläutert. Ein Lehr- und Lesebüchlein für Elementar-Schüler“ (Anton Heilingbrunner, Wasserburg, 1828). Das Zitat ist dort auf Seite 90 zu finden und lautet vollständig: „Narrenhände beschmieren Tisch und Wände, (und verderben oder entstellen wenigstens dadurch manches schöne Denkmal.)“ [sic!]
Wer verstehendes Lesen einigermaßen beherrscht, könnte aus diesem Zitat nützliche Schlüsse ziehen, um das Zusammenleben in unserer Gesellschaft erträglicher zu gestalten.
Weil die Informationstafel auf unserer Webseite zum Glück nicht zugesprayt werden kann, veröffentlichen wir sie hier noch einmal in unversehrter Ausfertigung - zusammen mit dem Faksimile aus den Schulgesetzen sowie einigen aktuellen und erfreulichen Schnappschüssen von unserer Schmetterlingswiese. Die verhunzte Tafel bleibt derweil als Mahnmal für die Spaziergänger stehen - vielleicht sogar so lange, bis sie von anderen „Hochbegabten“ abgesägt oder umgestoßen wird...
*) Der erste Aufruf "Bildung tut not!" ist hier zu finden.