Von der LPG zum Bio-Betrieb
Das aus drei Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften hervorgegangene Hofgut Eichigt, ehemals Agrofarm 2000 GmbH, hat im Jahr 2015 nach einem Eigentümerwechsel zum Bio-Großhändler dennree mit der Umstellung des Betriebes auf ökologische Bewirtschaftung begonnen.
Die BUND-Regionalgruppe Vogtland möchte diesen Prozess als Beobachter begleiten. Dabei sollen Erkenntnisse darüber gewonnen werden, welche Auswirkungen eine solche Umstellung ganz konkret auf das Landschaftsbild und auf die Lebensbedingungen unserer heimischen Planzen und Tiere haben.
In Zusammenarbeit mit dem Hofgut Eichigt soll an dieser Stelle an mehreren Beispielen gezeigt werden, wie sich typische Biotope wie Feldraine, Weghecken, Wiesen oder Waldränder über die Jahre verändern und entwickeln, wenn die Bewirtschaftung des Landes ökologisch erfolgt - und ob sich dadurch die Überlebenschancen bestimmter gefährdeter Tier- und Pflanzenarten, z. B. des Acker-Schwarzkümmels, des Schwalbenschwanzes oder des Feldhasen, verbessern.
Der erste Meilenstein ist geschafft!
Wer sich an den Vortrag zum Fleischatlas im Pfaffengut vom 18. April 2018 erinnert, wird vielleicht noch die Beschreibung der immensen Probleme vor Augen haben, die aus der Massentierhaltung resultieren: Missachtung des Tierwohls, Übernutzung der Agrarflächen, Futtermittelimporte aus Ländern mit extra dafür abgeholzten Regenwäldern, Grundwasserbelastung und Treibhausgasemissionen. Eine mögliche Lösung wurde mit der „Flächengebundenen Tierhaltung“ aufgezeigt: Pro Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche dürfen höchstens 2 Großvieheinheiten, und auch die nur in Kreislaufwirtschaft, gehalten werden.
Dass das keine Zukunftsmusik bleiben muss, konnten zahlreiche Zuhörer bereits vier Wochen später zu einer Veranstaltung erleben, in der sich das Hofgut Eichigt vorstellte. Dass dort kein Schlachtvieh, sondern Milchkühe gehalten werden, ändert ja nichts am Prinzip.
Die Referentin der Geschäftsleitung und Naturschutzbeauftragte des Betriebes, Nadine Adler, ging in ihrem Vortrag kurz auf die Geschichte der ehemaligen Agrofarm 2000 GmbH ein und beschrieb dann besonders die Maßnahmen, die nach dem Eigentumsübergang an dennree, den Naturkostgroßhändler und Betreiber der denn’s Biomärkte, zur Umstellung des Unternehmens in einen zertifizierten Bio-Betrieb erforderlich waren. Die Zertifizierung durch den Anbauverband „Bioland e.V.“ ist mittlerweile erfolgt, das Hofgut liefert seit 1. Mai 2018 Bioland-Milch.
Die Fortschritte im Umwelt- und Naturschutz, die man damit auf einer großen Fläche im südwestlichen Vogtland macht, sind beachtlich. Bezieht man die benachbarten Gebiete der Agrargenossenschaft Großzöbern und der Agrargenossenschaft Oberes Vogtland mit ein, so bewirtschaften allein diese drei Betriebe gut 11% der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Vogtlandkreises, zertifiziert nach strengen ökologischen Richtlinien. Zum Vergleich: In Sachsen lag 2016 der Anteil ökologisch bewirtschafteter Agrarflächen bei nur 5,3%!
Im Zusammenspiel mit den bestehenden Schutzgebieten am Grünen Band, im Elster-, Kemnitz- und Triebelbachtal besteht damit die Chance, hier einen Landstrich zu entwickeln, in dem Mensch und Natur harmonisch miteinander existieren können.
Was trägt nun das Hofgut Eichigt im Detail dazu bei?
Mit nur 0,4 Großvieheinheiten je Hektar werden die Obergrenzen der „Flächengebundenen Tierhaltung“ deutlich unterschritten. Daraus ergeben sich weitere positive Effekte:
- Die Kühe haben mehr Platz. Die neu erbauten Cuccetten-Ställe bieten Bewegungsfreiheit, natürliche Frischluft und Tageslicht für die Tiere. Somit besteht auch die Möglichkeit, den Rindern ihre Hörner zu belassen. Sie leben artgerecht in kleinen und festen Gruppen zu etwa 100 Tieren in Anlehnung an eine natürliche Herde.
- Es steht genügend Grünland zur Verfügung, um den Milchkühen im Sommer den Weidegang zu ermöglichen. Dabei gestatten stallnahe Weideflächen mit zwei Melkstandorten das tägliche Melken ohne lange Treibwege.
- Das Ideal der Kreislaufwirtschaft wird konsequent umgesetzt: Grün- und Ackerland liefern das bio-zertifizierte Futter für die Tiere, die Gülle wird in einer Biogas-Anlage vergoren und dient danach als natürlicher Dünger. Biogas wird in einem Blockheizwerk zur Eigenversorgung mit Wärme und Strom genutzt. Überschüsse an Feldfrüchten, Biogas und Strom können verkauft werden und steigern den Ertrag über die reine Milchproduktion hinaus.
- ökologische Ackerwirtschaft und Grünlandnutzung erfordert den Verzicht auf Spritzgifte und Mineraldünger. Pflanzengesundheit und Bodenfruchtbarkeit werden durch abwechslungsreiche Fruchtfolgen und mechanische Bodenbearbeitung gesichert. Das erhöht die Biodiversität, auch durch den möglichen Aufwuchs von Beikräutern.
Zusätzlich zu diesen fast zwangsläufigen Folgen des ökologischen Ansatzes werden weitere Maßnahmen zur Verbesserung des Tierwohles und der Naturausstattung der Landschaft getroffen. Dazu zählen der ab 2019 geplante Start der Ammenaufzucht der Kälber bis zum dritten Monat, die angedachte Aufzucht männlicher Jungtiere, die Anlage von Blühstreifen an den Äckern, die Pflege und Neuanlage von Feldhecken, das Begrünen von Dachflächen, die sorgsame Behandlung besonderer Biotope wie z. B. vernässter Wiesenstücke oder auch der Uferbereiche von Bachläufen sowie das Austesten von in unserer Region neuen Methoden im Biolandbau, etwa dem Anbau von Mais in Dammkulturen.
Somit steht nicht ausschließlich der wirtschaftliche Erfolg (der natürlich auch gesichert werden muss) im Fokus des Unternehmens, sondern es gewinnen auch Aspekte der Gemeinwohl-Ökonomie an Bedeutung – eine Tendenz, die wir für zukunftsweisend halten!
Um die Umstellung auf ökologische Landwirtschaft gezielt nachzusteuern und deren Auswirkungen exakt zu erfassen, ist ein Naturschutzkonzept in Arbeit. Hauptschwerpunkt ist dabei das Monitoring charakteristischer Merkmale in Flora und Fauna, welches 2016 mit der Beobachtung von Ackerbeikräutern (Segetalvegetation) und Laufkäferpopulationen durch die Universität Göttingen und ein Forschungsinstitut aus Hohenheim begann.
2017 wurde die Erfassung der Segetalvegetation durch Matthias Breitfeld vom Arbeitskreis sächsischer Botaniker fortgesetzt. Zusätzlich wurde die Vogelwelt auf Äckern und Grünland durch Stephan Ernst vom Verein sächsischer Ornithologen untersucht.
Die Beobachtung von Tagfaltern und Heuschrecken war 2017 Gegenstand einer Bachelor-Arbeit von Stephanie Schöbel (Hochschule Neubrandenburg), die in diesem Jahr mit einem Masterabschluss vollendet wird.
Ab 2018 soll das Monitoring verstetigt werden, um vor allem die Langzeitwirkung der ökologischen Bewirtschaftung zu erfassen. Dazu wurden 8 repräsentative Dauerbeobachtungspunkte festgelegt, die in Zusammenarbeit mit Hochschulen und ehrenamtlichen Naturkundlern hinsichtlich Bodenstruktur, Regenwurmbesatz, Ornithologie, Botanik und Schmetterlingsfauna untersucht werden.
Neben der Kooperation mit den Umwelt- und Naturschutzverbänden in Sachsen werden Bildungsprojekte initiiert. So wurde mit Schülern der Grundschule Eichigt die Wiederbesiedlung der neu erbauten Ställe durch Schwalben in Angriff genommen: Aus Lehm, Stroh und Ruten wurden Schwalbennester gebaut und im Stall angebracht. Nun beobachten die Schüler, wie „ihre“ Schwalben die neuen Nisthilfen annehmen.
Zudem finden auch am Betriebsstandort Erfassungen zu Fledermäusen und Schwalben statt. Dabei zielt der Fokus auch auf weitere mögliche Nistgelegenheiten für Höhlenbrüter, Fledermäuse und weitere Vogelarten.
Wir vom BUND freuen uns sehr über diese Entwicklung und sehen darin eine große Chance, den ernsten Problemen in Natur und Umwelt, die allgegenwärtig beklagt werden, handfeste Lösungsstrategien entgegenzusetzen.
Heuschrecken und Tagfalter auf Mähwiesen im Hofgut Eichigt
Der Vortrag von Stephanie Schöbel (Hochschule Neubrandenburg) befreite den interessierten Laien vor allem von einer Illusion: Dass nämlich das Monitoring von Schmetterlingen und Heuschrecken ein reines Urlaubsvergnügen sei.
Das beginnt bereits mit der Auswahl der Beobachtungsflächen. Sie sollen nach Süden oder Südosten geneigt sein, nicht beweidet werden, nicht zu klein, aber auch nicht zu groß ausfallen - und einem vergleichbaren Mahdregime unterliegen.
Dass Schmetterlinge auf bestimmte Futterpflanzen als Raupe und auf spezielle Nektarpflanzen als Falter angewiesen sind, dürfte allgemein bekannt sein.
Dass dies für Heuschrecken aber analog gilt, war den meisten Zuhörern bestimmt neu. Bisher dachte man wohl: Heuschrecken fressen alles kahl, was ihnen vor die Beißerchen kommt! Dem ist also nicht so.
Neben der Pflanzenausstattung sind aber noch weitere Eigenschaften der Biotope (Feuchtigkeit, Nährstoffarmut, Kahlstellen, Wuchshöhen usw.) entscheidend für das Vorkommen einzelner Arten.
Beide Insektengruppen können somit dazu herangezogen werden, Veränderungen in natürlichen Standorten empfindlich anzuzeigen. Das gilt in beide Richtungen: Eine Verarmung an Insekten ist in der Regel auf eine Qualitätsminderung des betreffenden Habitats zurückzuführen. Umgekehrt kann das Wiederauftreten verschwundener Arten eine Gesundung dieser Biotope anzeigen. Da insbesondere Tagfalter in der Öffentlichkeit sehr beliebt sind, stoßen ihnen geltende Schutzmaßnahmen (und dazu gehört auch die ökologische Bewirtschaftung von Grünland) auf eine breite Akzeptanz.
Um exakte Aussagen zu diesen Themen treffen zu können, kommt es auf Fachkunde, Sorgfalt und Fleiß an. Das wurde in den Ausführungen von Frau Schöbel zur Systematik und Vorgehensweise bei der Bestimmung der zu beobachtenden Arten deutlich. Für die Aufnahme von Tagfaltern sind z. B. bestimmte Mindesttemperaturen und das Unterschreiten von festgelegten Wolkenbedeckungsgraden erforderlich. Erwischt man einen verregneten Sommer, hat man schlechte Karten, seine Studien erfolgreich abzuschließen. Es ist auch nicht mit einer einmaligen Begehung getan, da auch die jahreszeitlichen Aspekte zu berücksichtigen sind. Und bei Heuschrecken sind zusätzlich zu der optischen Begutachtung auch noch deren artspezifischen Gesänge zu „verhören“.
Natürlich ist zur Herstellung von Korrelationen auch die Erfassung der Flora erforderlich. Dazu werden bis zu 40 charakteristische Pflanzenarten akribisch in Erfassungsbögen dokumentiert.
Beim Monitoring soll nichts dem Zufall überlassen werden. Das Abschreiten der Flächen – ob in gerader Traverse oder in Schlangenlinien – ist ebenso festgelegt wie die Art und Weise, wie der Kescher zu schwingen ist. Selbst für die Geschwindigkeit der Begehung und den Zeitpunkt, ab dem die Erfassung der Schmetterlinge auf einem Wiesenstück als vollständig gelten kann, gelten Vorgaben. Nur so können die Ergebnisse verschiedener Durchgänge oder unterschiedlicher Autoren vergleichbar werden.
Kurzum: Bio-Monitoring ist kein Spaß - selbst wenn es Spaß macht.
Was kam nun bei dem ganzen Aufwand heraus?
Im Vortrag konnte nur ein erstes Zwischenergebnis vorgestellt werden, da die endgültige Auswertung Gegenstand der Masterarbeit ist.
Immerhin wurden 33 Arten von Tagfaltern – darunter 4 gefährdete Arten - und zusätzlich 2 Arten von Widderchen erfasst. Bei den Heuschrecken waren es 17 Arten, zwei davon gelten als gefährdet.
Spannend wird es bei der Auswertung der Protokolle in drei Richtungen:
1. Wie verhalten sich die aufgefunden Arten zu den beobachteten Standorten? Kann man daraus Hinweise zur weiteren Bewirtschaftung und Aufwertung dieser Biozönosen ableiten?
2. Wie stellt sich der Bestand an Tagfaltern im Vergleich zur früheren Literatur dar? Dazu könnten z. B. die „Neuen Entomologischen Nachrichten“ von 1993 herangezogen werden, die einen Artikel von Klaus Ebert zu den Großschmetterlingen des Vogtlandes enthalten.
3. Wie wird sich die Entwicklung von Tagfaltern und Heuschrecken in den nächsten Jahren fortsetzen?
Wir hoffen sehr, dass Stephanie Schöbel mit ihrer Masterarbeit einen vollen Erfolg für den Abschluss ihres Studiums einfährt – und dass wir die Arbeit bald auch selbst komplett lesen können, denn sie dürfte die naturkundliche Literatur des Vogtlandes deutlich bereichern.