Regionalgruppe Vogtland

Permakultur im Vogtland?

31. Januar 2020 | Nachhaltigkeit, Landwirtschaft

Selbst in den USA, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, ist die "New Forest Farm" ein Vorzeigeobjekt der Permakulturbewegung und keineswegs alltäglich.

New Forest Farm in Viola, Wisconsin/USA  (© 2016 New Forest Farm / Internet Archive)

Deswegen muss man sich nicht wundern, wenn man im Vogtland derartig gestaltete Landschaften höchstens noch andeutungsweise auf alten Postkarten findet. Das muss aber nicht so bleiben.

Sandra Steiner aus Herlasgrün ist eine jener Idealisten, die dafür aktiv werden. In ihrem Vortrag unter dem Titel "Mit Permakultur die Zukunft entwerfen - willkommen im Biotop mit Mensch" hat sie am 30. Januar 2020 einer überraschend großen Zahl von Zuhörern ihre Begeisterung für diese Wirtschafts- und Lebensweise mitgegeben. Ein einleitender kleiner Film, dessen Langfassung leider nur in englischer Sprache verfügbar ist, offenbarte die Motive ihrer Denkungsart.

Frau Steiner berichtete zunächst darüber, wie sie zum Thema Permakultur gefunden hat. Nach einer Zeit praktischer Arbeit in einem Ökodorf und einem Intermezzo bei der Graswurzelbewegung Zeitgeist kam sie über ihr Engagement in der Kriegskinderstiftung mit den schwierigen Lebensverhältnissen in Uganda in Berührung. Dort agierte auch der walisische Permakultur-Designer Steven Jones aus Llanrhaeadr-Ym-Mochnant  und versuchte, vor allem den Kriegsflüchtlingen mittels Permakultur eine neue Lebensperspektive zu geben. Nach anfänglichen Schwierigkeiten waren schon bald erste Erfolge zu verzeichnen. Denn gerade unter den klimatischen und agrarwirtschaftlichen Bedingungen Ostafrikas bringen die Prinzipien der Permakultur besonders markante Fortschritte hervor. Inzwischen hat sich auch dort eine Permakultur-Design-Akademie etabliert, die in zwölftägigen Kursen die 12 Prinzipien des Permakulturdesigns lehrt. Sandra Steiner selbst hat 2018 die Qualifizierung zur Permakultur-Designerin in Angriff genommen.

Im zweiten Teil des Vortrages wurden die wichtigsten dieser Ideen kurz vorgestellt. Ein instruktives Schaubild stellt die zwölf von David Holmgren postulierten Grundsätze dar. David Holmgren ist neben dem inzwischen verstorbenen Bill Mollison (beide Australien) der Mitbegründer des 1978 erstmals veröffentlichten Permakulturkonzepts.
Im Mittelpunkt stehen drei ethische Maximen: Sorge für die Erde! Sorge für die Menschen! Sorge für die Zukunft!
Wie man das genau macht, ist Gegenstand der Lehre in der Permakultur-Akademie. Dabei wird ein Zyklus, bestehend aus den Schritten Beobachten, Analsysieren, Synthetisieren, Planen und Gestalten so oft durchlaufen, bis ein optimales Ergebnis vorliegt. Optimal ist das Ergebnis dann, wenn mit minimalem Aufwand ein maximaler Ertrag so erwirtschaftet wird, dass sich das System dabei immer wieder selbst regeneriert - und somit ewig funktionieren kann. Das klingt utopisch und bleibt es auch, wenn man sich nicht intensiv mit der Materie auseinandersetzt. Deswegen ist auch noch kein Meister der Permakultur vom Himmel gefallen - die Ausbildung zum Permakulturdesigner ist ein langer Weg. Das größte Problem dabei ist, dass es keine Rezeptbücher gibt. Jeder Standort verlangt ein inhärentes Konzept, in welches u. a. die Topografie, die Bodenbeschaffenheit, das Wasserdargebot, der Schattenwurf von Pflanzen, die Bedürfnisse der Nutztiere und sogar die Mentalität des Gärtners einfließen müssen. Dabei werden selbstverständlich die Gebote der ökologischen Landwirtschaft beachtet, aber die Permakultur geht noch darüber hinaus, indem sie nicht nur naturfreundlich arbeitet, sondern die Kräfte der Natur gezielt ausnutzt und selbst produktiv werden lässt. Worin sich Permakultur vom Biogarten unterscheidet, wird in diesem sehr sympathischen Video genau erklärt.
Wem das Prinzip nun undurchführbar erscheinen mag, der kann sich an erfolgreichen Beispielen wieder aufrichten. Frau Steiner stellte dazu zwei gelungene Versuche aus Frankreich und Österreich vor:
In der Normandie gründeten Perrine und Charles Herve-Gruyer 2006 eine Farm, die sie zu einem Naturidyll entwickelten. Ein kurzer Fernsehbeitrag berichtet davon.
Im Salzburger Lungau betreibt Joseph A. Holzer den Krameterhof und hat es sogar geschafft, dass in dieser unwirtlichen Region Zitronen gedeihen - und zwar im Freiland. Sepp, sein Vater, hat den Hof aufgebaut und ist hier zu sehen, wie er den Messner Reinhold durch sein Revier führt.
In Deutschland findet vor allem der Permakultur-Park Bischbrunn Zulauf, wo mit einem seit 2009 auf Permakultur umgestellten, vorher konventionell bewirtschafteten Acker eine Versuchs- und Anschauungsfläche geschaffen wurde, die im Rahmen von Führungen besucht werden kann.
In unserer näheren Umgebung gibt es keine großen Permakultur-Farmen, aber immerhin den Landgarten Potpourri e. V. in Mülsen, OT Wulm, und die von der Kräutermanufaktur Lichtenstein betreute "Essbare Stadt".

Das dritte Kapitel des Vortrages widmete sich Ideen, wie sich die Permakultur im Vogtland etablieren könnte. Das erste Experimentierfeld von Sandra Steiner ist natürlich der eigene Garten. Beim Betrachten der Fotos stellte sich allerdings die Frage: Was, wenn ich so schrebergärtnern sollte, würden denn mein Gartennachbarn dazu sagen? Auf der Parzelle, wie überhaupt im öffentlichen Raum, scheint noch viel Umdenken nötig zu sein.
Die zweite Idee zeugt davon, dass sich das Permakulturprinzip nicht in ausgeklügelten Anbaumethoden erschöpft, sondern weiter greift. Hier geht es um die Toilettenanlagen an der Talsperre Pöhl, die mit viel Geld an das öffentliche Abwassersystem angeschlossen werden sollen. Dabei gibt es schon lange Stimmen, die diese Art von "Klärung" generell in Frage stellen. Frau Steiner schlägt vor, stattdessen Trenntoiletten einzuführen, wie sie andernorts bereits gut erprobt sind. Über die Idee hinter diesen Kompost-Toiletten kann sich jeder im Internet leicht selbst informieren. Skeptiker seien darauf hingewiesen, dass sich auf diesem Prinzip eine ganze indigene Hochkultur im Amazonasbecken entwickeln konnte, die ohne eine solche Erfindung den nährstoffarmen Regenwald gar nicht hätte besiedeln können. Stichwort: Terra Preta. - Bislang ist die Idee aber noch nicht im Bewusstsein der Verantwortlichen angekommen.
Schließlich sieht Frau Steiner noch die Möglichkeit, die weitere Entwicklung des Hofgutes Eichigt mit Prinzipien der Permakultur zu bereichern. Ansprechpartner, die dafür offen sind, gibt es dort.
Aus dieser Idee entwickelte sich zum Schluss eine lebhafte Diskussion, bei der sich vor allem die anwesenden Landwirte skeptisch zeigten, wie sie mit den vorgestellten Werkzeugen ihren Lebensunterhalt aus dem Hof generieren sollen. Hier offenbarte sich erneut, welche negativen Folgen die aktuelle Agrarpolitik nach sich zieht, denn momentan scheint das tatsächlich unmöglich zu sein.

Nach gut zwei Stunden bedankte sich das Publikum mit herzlichem Applaus bei Frau Steiner für diesen anregenden Vortrag.
Wer sich zum Thema belesen möchte und einen leichten Einstieg sucht, ist auf der Seite permakultur.de genau richtig.

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